Flächendeckende hochgenaue Positionsbestimmung auch in Regionen mit lückenhafter Mobilfunkversorgung? Die im Forschungsprojekt SSRoverDAB+ erfolgreich entwickelten und erprobten Software- und Systemlösungen zur Übertragung präziser GNSS-Korrekturdaten über den digitalen Rundfunk DAB+ machen es möglich! Kürzlich präsentierte das Projektkonsortium bestehend aus Alberding GmbH (Konsortialführer), Geo++ GmbH, inPosition gmbh und Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS die Projektergebnisse in einer Videokonferenz. Mehr als 60 Interessierte verfolgten die Onlinevorstellung und anschließende interaktive Fragerunde. Gefördert wurde das Projekt durch das Navigation Innovation and Support Programme der Europäischen Weltraumorganisation ESA (ESA NAVISP Element 2).
Aktuelle Marktsituation
Moderne Anwendungen der Digitalisierung und Automatisierung in der Landwirtschaft und anderen Bereichen erfordern einen präzisen Raumbezug in Echtzeit. Die satellitengestützte Positionierung (GNSS) kann diese Anforderungen mithilfe von GNSS-Echtzeitkorrekturdaten für den überwiegenden Teil des Außenbereichs erfüllen. Präzise Korrekturdaten werden u.a. vom Satellitenpositionierungsdienst SAPOS® der Landesvermessungsbehörden als Open-Data-Service über mobiles Internet bereitgestellt.
Das von SAPOS® verwendete bidirektionale VRS-Verfahren und das RTCM-Datenformat werden von den mobilen GNSS-Empfängersystemen am Markt unterstützt. Aufgrund der lückenhaften Mobilfunkversorgung in ländlichen Gebieten können zahlreiche Kunden den SAPOS®-Dienst der Verwaltung nicht nutzen und sind auf kommerzielle Dienste weltweit operierender Firmen angewiesen. Eine zusätzliche Übertragung der GNSS-Korrekturdaten über terrestrische Datenkanäle, wie z.B. den digitalen Rundfunk DAB+, könnte diese Versorgungslücken schließen. Im Gegensatz zum bisher über Mobilfunk eingesetzten bidirektionalen VRS-Verfahren ist bei der DAB+-Aussendung der Übergang zu einem broadcastfähigen Korrekturdatenformat erforderlich.
Das neuartige PPP-RTK-Verfahren, welches auf dem SSR-Ansatz basiert, ist ohne Genauigkeitsverlust broadcastfähig und erlaubt eine Reduzierung der Bandbreite zur effizienten Übertragung der Korrekturdaten über DAB+. Nachteilig für die Markteinführung eines Open-Data PPP-RTK-Dienstes wirken sich die fehlende Standardisierung von SSR-Korrekturdaten in der höchsten Genauigkeitsstufe aus. Die derzeit am Markt verfügbaren GNSS-Sensoren verwenden bisher ausschließlich herstellereigene Datenformate.
Projektergebnisse
Um die Möglichkeiten und die Performance einer PPP-RTK-Korrekturdatenübertragung über DAB+ evaluieren und praktisch erproben zu können, wurden im ESA NAVISP-EL2 Projekt SSRoverDAB+ Software- und Systemlösungen für die Datenübertragung und die Nutzung der Korrekturdaten mit am Markt verfügbaren GNSS-Empfängersystemen entwickelt. Die Korrekturdaten wurden dem Projekt dabei von dem assoziierten Projektpartner Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen Deutschlands (AdV), vertreten durch das Bayerische Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (LDBV), im offengelegten Datenformat SSRZ der Firma Geo++ GmbH bereitgestellt.
Das Projekt SSRoverDAB+ gliederte sich prinzipiell in drei unterschiedliche Themenblöcke: die Korrekturdatenübertragung über DAB+, die Nutzung von SSRZ-Korrekturdaten mit am Markt verfügbaren GNSS-Empfängern und die Testsystementwicklung mit praktischer Erprobung. Die Korrekturdatenübertragung über DAB+ bestand wiederum einerseits aus der Optimierung der serverseitigen Bereitstellung und Übertragung von SSRZ-Korrekturdaten und andererseits aus der Entwicklung eines mobilen DAB+-Korrekturdatenempfängers mit Datendekodierung. Der DAB+-Datenkanal wurde dem Projekt vom assoziierten Projektpartner Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) zur Verfügung gestellt.
Arbeitsschwerpunkt der Korrekturdatenübertragung war die optimierte Aufteilung von sich langsam und schnell ändernden SSR-Parametern (low-rate, high-rate Messages) auf die Bandbreite der Aussendung. Für die DAB+-Übertragung an sich wurde die effiziente Aufteilung des Kanals zwischen Datenbits für die Korrekturdaten und die Fehlerkorrektur der Übertragung untersucht. Auf der mobilen Seite wurde ein Prototyp für den Empfang, die Dekodierung und die Weiterleitung der SSR-Korrekturdaten an das GNSS-Roversystem entwickelt.
Aufgrund der fehlenden Standardisierung bildete die Entwicklung von Software zur Nutzung der SSRZ-Korrekturdaten einen Schwerpunkt im Projekt. Da dem Projektpartner Geo++ GmbH das firmeneigene Datenformat bekannt ist, wurde das Konvertierungstool SSR2OBS für die Wandlung der SSRZ-Korrekturen in das RTCM 3.2 MSM-Datenformat verwendet. Geo++ hat im Projekt dieses vorhandene Softwaretool um einen Rückkanal ergänzt. Die Rohdaten des mobilen GNSS-Empfängers werden dabei zur Verbesserung der Korrekturdaten genutzt.
Für die Nutzung der SSRZ-Korrekturdaten mit eigenen Prozessierungslösungen haben die Firma inPosition gmbh und das Fraunhofer IIS Software zum Einlesen und zur Nutzung der SSRZ-Korrekturdaten entwickelt. Im Vergleich zur Auswertung des Fraunhofer IIS von Galileo E5 AltBOC-Signalen über einen codebasierten Ansatz für die robuste Fahrzeugpositionierung im Genauigkeitsbereich von 0,5 m benötigte inPosition den vollständigen Korrekturdatensatz zur Berechnung einer RTK-Lösung im Zentimeterbereich.
Der Alberding A10-RTK Sensor diente als Test- und Erprobungssystem für Entwicklungen im Projekt. Der A10-RTK ist ein skalierbares Telemetrie- und Positionierungssystem, das u.a. ein präzises GNSS-Modul, ein 4G-Mobilfunkmodem und einen Prozessor in einem Gehäuse vereint. Besonderheiten des A10-RTK sind die flexible Wahl unterschiedlicher GNSS-Boards und die optionale Ausrüstung mit einem integrierten Embedded-PC. Die Softwareentwicklungen im Projekt wurden auf dem Embedded-Rechner mit LINUX-Betriebssystem des A10-Sensors implementiert und praktisch erprobt. Für den Gesamtsystemtest und die Praxistests im Feld war eine Erweiterung des Gehäuses zu einem A10-DAB+-Prototypensensor erforderlich, da das DAB+-Empfangsmodul und der INS-Sensor aufgrund deren Abmaße nicht in das bestehende A10-Gehäuse integriert werden konnten. Die voll funktionsfähigen Prototypen wurden auf Landmaschinen des assoziierten Projektpartners BayWa AG erfolgreich im Feld getestet. Das Lenksystem des Traktors hat die über DAB+ übertragenen SSR-Korrekturdaten für das automatisierte Fahren verwendet. Die Machbarkeit der Aussendung präziser Korrekturdaten über DAB+ wurde erfolgreich demonstriert.
„Jetzt gilt es, die Ergebnisse in die Praxis zu überführen. Um Marktreife zu erlangen, müssen sich zukünftige Anstrengungen auf die Entwicklung einer kombinierten Sensorlösung richten, bei der DAB+-Module zum Einsatz kommen, die in kleineren Stückzahlen und zu einem niedrigeren Preis produziert werden können“, so Jürgen Alberding, Projektleiter von SSRoverDAB+ und Geschäftsführer der im Wildauer Zentrum für Zukunftstechnologien ansässigen Alberding GmbH.
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Quelle: Alberding GmbH